Trotz des angekündigten Sturms war es zumindest außerhalb des Spielsaals relativ ruhig geblieben und wir trafen wohlbehalten in Hannover-Ricklingen zum Auswärtsspiel gegen die Schachfreunde ein. Wir wollten unsere leichte Favoritenrolle nutzen, um den Klassenerhalt nicht mehr spannend zu machen, insbesondere da durch den Lingener Bundesliga-Rückzug plötzlich auch ein zweiter Absteiger wieder möglich erscheint.
Wie eigentlich immer diese Saison (seit dem 3. Spieltag…) entwickelte sich ein zähes Ringen mit wenigen schnell entschiedenen Partien. Bemerkenswert, worauf auch die Überschrift hindeutet: Wir hatten an 5 von 8 Brettern zumindest zeitweilig eine Qualität weniger. Das Resultat dieser Partien mit +2 = 3 zeigt, dass das nicht unbedingt etwas heißen muss… aber der Reihe nach:
An Brett 1 demonstrierte Martin, was Colle und Zukertort beim Ausknobeln ihrer Eröffnung ungefähr im Sinn gehab haben müssen. Die unglückliche Stellung der Dame wurde für eine günstige Linienöffnung am Damenflügel genutzt, dann der Kampf auf den Königsflügel verlagert, eine Schwäche geschaffen und 3 Züge später war es auch schon Matt. Wieder eine blitzsaubere Leistung unseres Spitzenmanns, der somit den Sturm beim nachmittäglichen Kaffee bereits von zuhause aus betrachten konnte.
Der kurzfristig eingesprungene Heiko legte am 8. Brett ein souveränes Schwarzremis nach. Ihm war zwar eine Qualität abhanden gekommen, die zugeschobene Stellung bot aber keine Möglichkeit der Linienöffnung und so war kurze Zeit später auch das Remis unterschriftsreif.
Sebastian erhöhte dann mit einem toll herausgespielten Positionssieg auf 2,5:0,5. Beide Seiten hatten eine Maroczy-Stellung gut behandelt und Sebastian mit Weiß behielt den typischen kleinen Vorteil. Dann tauschte sein Gegner unvorsichtigerweise während einer Abtauschsequenz einen Turm auf h1, hatte aber nicht bedacht, dass Sebastian nicht zurückschlagen musste, sondern eine Qualität opfern konnte und dafür ein unaufhaltsames Bauernduo erhielt, was er souverän verwertete:
Hier folgte 31. cxb5 Txh1? 32. bxc6! und der Läufer unterstützte später von g4 aus perfekt die Umwandlung der Bauern.
Kurz vor der Zeitkontrolle opferte Jan nach bis dahin ereignisarmer Partie eine Qualität für einen Bauern, worauf sein Gegner direkt im Gegenzug das Gleiche tat. Im entstehenden Turmendspiel war für beide nichts mehr zu holen und es wurde dementsprechend Remis vereinbart. Gut für uns, denn wir schraubten das Ergebnis auf 3:1 und hatten zu diesem Zeitpunkt an keinem verbleibenden Brett größere Probleme.
Ein weiteres Remis konnte Berthold nachlegen, der mit Schwarz den klassischen Minoritätsangriff aufgezogen hatte und eigentlich die ganze Partie über besser stand. Dann kam der Hannoveraner aber gerade noch rechtzeitig zu dem für die Struktur ebenso typischen Gegenspiel am Königsflügel und erzwang schlussendlich im Damenendspiel Dauerschach – 3,5:1,5. Damit konnten wir aber sehr gut leben, denn unser Topscorer Hartmut hatte in dem für ihn typischen Stil Spiel am ganzen Brett aufgezogen. Auch hier war die zwischenzeitlich gegebene Qualität nur bei genauem Durchzählen zu bemerken, so dominant standen die verbleibenden weißen Steine. Verzweifeltes Gegenspiel wurde cool gekontert und somit der Siegtreffer erzielt.
Damit konnten Marc und Max ihre Endspiele ohne Druck zuende spielen. Marc war gegen den extrem schnell und sicher spielenden Hannoveraner zwischendurch in Nachteil geraten, konnte sich aber befreien und übernahm im Turmendspiel schließlich das Zepter. Leider fand er in der entscheidenden Stellung mit weit vorgerückten Freibauern auf beiden Seiten nicht den Gewinnweg und musste sich mit Dauerschach begnügen.
Max, der inzwischen eine gewisse Routine auf der schwarzen Seite des abgelehnten Damengambits entwickelt hat (4. Partie bereits in dieser Saison), hatte sich gegen den nominell stärksten Hannoveraner mit Hilfe eines Kamikaze-Springermanövers eine durchaus ordentliche Ausgangsposition erarbeitet, dann aber eine Qualität eingestellt. Er konnte sich aber in ein Endspiel T+S gegen T+T mit 4 gegen 3 Bauern an einem Flügel retten und das remis halten, ohne seinem jugendlichen Gegner eine Gewinnchance einzuräumen. Somit lautete der Endstand 5,5:2,5 für Union Oldenburg.
Weiß droht, den Springer mit a5 anzurempeln, das Pferd reagiert auf die Provokation aber aggressiv:
13. …Sxa4!? 14. Sxa7 Sxb2! 15. Sxc4 Sxc4 16. Dxc4 =
Auch die Rückfahrt verlief trotz Sturmtief Sabine problemlos. Nun können die Saisonziele angepasst werden. Zum Beispiel ist aus eigener Kraft der Titel „Best of the Rest“ hinter den enteilten Kirchweyhe und Lister Turm möglich. Der Grundstein dafür kann im nächsten Heimkampf gegen Hameln gelegt werden, der wie schon im Vorjahr eher über eine Palmfrucht aus Edelmetall als über Auf- und Abstieg entscheidet.
(Bericht von Max Meessen)