Gemeinhin spricht man beim Schach ja vom „Anzugsvorteil“. Weiß führt zuerst die Streitkräfte heran und hat daher einen kleinen Vorteil. Je höher die Klasse, desto deutlicher lässt sich dieser Vorteil statistisch nachweisen. In der Oberliga Nord-West sollte er also fühlbar sein. Aber sehen wir im Einzelnen, wie sich die erste Mannschaft beim SK Lehrte schlug:
An Brett 1 kopierten Sebastian Müer und Nico Stelmaszyk zunächst eine aktuelle Partie Aronian-Dominguez mit einer sehr scharfen Variante des angenommenen Damengambits: Schwarz gibt eine Qualität und das Rochaderecht und erhält dafür einen Mehrbauer und aktive Leichtfiguren. Lange wogte der Kampf hin und her. Sebastian gab die Qualität zurück und schien den gegnerischen König ins Visier zu nehmen. Jedoch gelang diesem die Flucht und die schwarzen Schwerfiguren setzten sich mit Hilfe eines weit vorgerückten Freibauern auf c2 durch.
An Brett 2 sah sich Berthold Wittje einem ungestümen Angriff des Weißen auf seine Aljechin-Verteidigung ausgesetzt. Berthold sicherte schulmäßig erst das Zentrum, vertrieb einen auf g5 drohenden Springer und ging am verlassenen Damenflügel auf Materialjagd. Die dabei gewonnene Mehrfigur führte er sicher zum – schwarzen – Sieg.
Dirk Bredemeier spielte an Brett 3 gegen die noch gut in Oldenburg bekannte Marine Zschischang. Nach beiderseits kreativer Eröffnungsbehandlung pflanzte der Weiße einen Springer auf d5, hatte jedoch eine geschwächte Königsstellung. Die Schwarze opferte schließlich eine Qualität und erhielt dafür das schöne Blockadefeld e5. Schließlich wurde der bockig gegen das Schicksal anspielende Weiße ausgekontert und musste aufgeben.
Besser machte es – mit Schwarz – Max Meessen gegen Gunnar Zschischang: Beide wandelten – in schönem Kontrast zur topmodernen Damengambit-Theorie an Brett 1 – auf klassischen Schachpfaden, indem sie der berühmten 6. Partie des Wettkampfs Fischer-Spassky vor genau 50 Jahren folgten. Max konnte dabei Jefim Gellers Verbesserung 15. … Db7! anbringen:
Jan Wagner spielte an Brett 5 einen sehr aggressiven Reti-Aufbau und zog die Königsflügelbauern weit vor. Zeitweise schien er die schwarze Magie bändigen zu können. Doch an diesem Tage sollte es nicht sein – Heinrich Bedürftig konterte den weißen Angriff und siegte.
An Brett 6 bastelte Marc Schütte sich eine typisch verschachtelte Stellung mit beiderseitigen Doppelbauern. Nachdem er mit einem Turm auf c2 eindringen konnte, war auch hier das Schicksal des Weißen besiegelt.
Tom Peters spielte mit Weiß gegen den Lehrter Nachwuchsspieler Marc Tenninger. Aus einer Caro-Kann-Eröffnung, die bei wechselseitigen Rochaden sizilianische Strukturen annahm, erspielte sich Tom einen Mehrbauern, einen guten Springer gegen einen schlechten Läufer, einen Freibauern und….. gewann! Als einziger Spieler in diesem Match führte Tom somit die weißen Steine zum Sieg. Bravo!
Am 8. Brett spielte Ernst Heinemann eine ruhige Eröffnung gegen Nils Haselhorst. Ob der erfahrene Kämpe das Schicksal vorher im Kaffeesatz gelesen hatte? Jedenfalls gelang es ihm, seinen jungen Gegner in einem Leichtfigurenendspiel zu überspielen und wiederum das schwarze Feuer leuchten zu lassen.
Mit dem hart erkämpften 5 zu 3 haben die Oldenburger einen großen Schritt in Richtung Klassenerhalt getan. Im nächsten Kampf, zuhause gegen die Schachfreunde Hannover, sollte aber noch besser mit Weiß gepunktet werden.